Die Antwort des Stadtrats auf unsere Interpellation befriedigt nicht. Die neue Olma Halle 1 fast 10'000 oder mehr Besucherinnen und Besucher. Ihr Fassungsvermögen ist somit mit jenem des Hallenstadions Zürich oder generell mit jenem eines Stadions vergleichbar. Während St.Gallen mit der Halle in die oberste Liga aufsteigt, bleibt sie im Umfeld provinziell.
Das aktuelle Verkehrsregime ist nicht in der Lage, einen Publikumsaufmarsch (und vor allem gleichzeitigen -abmarsch) dieser Grössenordnung aufzunehmen. Ein solcher ist bei einem Einzelanlass wie z.B. einem ausverkauften Konzert durchaus realistisch. Sogar kleinere Konzerthallen wie jene in Dübendorf sind direkt mit einem leistungsfähigen Bahnhof verbunden, in diesem Fall Zürich-Stettbach.
Zu glauben, dass diese Menge mit ein paar Extrabussen zum Hauptbahnhof gefahren werden könnte, ist realitätsfremd. Um 5000 Personen beispielsweise nach einem Konzert von der Olma zum Hauptbahnhof zu befördern, werden während einer Stunde 5 Doppelgelenkbusse im Einsatz sein müssen, welche ca. je 150 Leute aufnehmen und alle 2 Minuten einer verkehrt. Dabei ist hier nicht eingerechnet, dass diese langen Busse bei der Olma nicht wenden können.
Der Stadtrat möchte am bisherigen Verkehrsregime festhalten. Dabei verkennt er die Situation. Ein weiteres Argument ist, dass der Weg vom Bahnhof zur Halle für die Besuchenden ein erster Eindruck der Gastgeberstadt darstellt. Wenn also ein solcher Weg durch schmale Treppen und über allgemeine Abstellplätze vorbei an Kabelrollen und Wendungen durch ein Wohnquartier macht, dann ist dieser alle andere als eine Visitenkarte, geschweige denn, dass er in der aktuellen Dimension die nötige Kapazität aufweist.
Der Eindruck entsteht, dass alle zuwarten, im Hintergrund jedoch ihr eigene Planung vorantreiben: Die SBB den Bahnhof, die Migros ihre Idee eines Neubaus näher an den Gleisen, das Astra seine Autobahnsanierung und die Wirtschaft ihre neuen Flächen. Im Interesse einer für die Stadt gelungene Gesamtlösung sollten Grenzen gesprengt und diese Player mit ihren Vorhaben gesamthaft angegangen werden. Andernfalls droht Gefahr, dass jetzt noch ausführbare Ideen verunmöglicht werden.
Stadtrat: «Das Areal der Olma Messen ist verkehrstechnisch ausgezeichnet erschlossen. Ab dem Bahnhof St.Gallen-St.Fiden führt ein 650 Meter langer Fussweg zum Areal.»
Es handelt sich um einen schmalen Weg, der über Treppen und zwischen improvisierten Parkplätzen hindurch mit holprigen Belägen führt. Zwei mal muss eine Strasse überquert werden, wovon in einem Fall noch ein Radweg involviert ist. Konflikte sind sicher. Eine Visitenkarte ist dieser Weg noch weniger als der Bahnhof St.Gallen St.Fiden selbst.
Stadtrat: «Ausserdem führen verschiedene Radwege unmittelbar an das Gelände heran.»
Entsprechend gedeckte Veloparkplätze fehlen jedoch gänzlich. Selbst ungedeckte Veloparkplätze sind nicht für ca. 4% der Olma-Besuchenden vorhanden. Den Radweg als Teil des Verkehrskonzepts zu nennen, ist gesucht.
Stadtrat: «Mit Bussen und Postautos gelangen Besucherinnen und Besucher umsteigefrei in 5 Minuten ab dem Hauptbahnhof St.Gallen zum Messegelände. Ferner ist das Areal über die beiden Halbanschlüsse auch unmittelbar an die Autobahn A1 angebunden. Die vielfältige Verkehrserschliessung widerspiegelt sich im Modal Split der Messebesucherinnen und -besucher. Mehr als zwei Drittel der Anreisen werden über den Öffentlichen Verkehr (63 %) oder den Langsamverkehr (7 %) abgewickelt.»
7% Langsamverkehr – entweder sind das alles zu Fuss Gehende oder die Velos lösen sich vor Ort in Luft auf, denn bei einer Besucherzahl von 350'000 müssten ca. 500 Velos vor dem Eingang der Olma-Hallen stehen. Die Frage stellt sich also: Wie viele von den 7% sind Velofahrende? Keine?
Stadtrat: «Durch das Neubauvorhaben sind keine Veränderungen am Verkehrskonzept notwendig (vgl. Vorlage Nr. 745 an das Stadtparlament vom 26.09.2019).»
Dieses Regime mag für Messen wie die Olma genügen, selbst wenn die Besucherzahlen entgegen dem allgemeinem Trend wieder ansteigen würden. Bei Einzelanlässen, wo die Massen in einem zeitlich konzentrierteren Rahmen an- und abreisen, muss mit langen Wartezeiten gerechnet werden.
Stadtrat: «Eine Steigerung der Attraktivität des Bahnhofes St.Fiden mittels baulicher Massnahmen ist für die Besucherinnen und Besucher der Olma Messen im Speziellen sowie für die Entwicklung dieses Gebiets im Allgemeinen nichtsdestotrotz wünschenswert und anzustreben. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass für einen Ausbau des Bahnhofs vornehmlich die SBB AG als Besitzerin zuständig ist. Eine Attraktivitätssteigerung des Areals und damit der Fusswegverbindung ist im Rahmen der Entwicklung St.Fiden – Heiligkreuz geplant.»
Man ist sich aber schon dessen bewusst, dass als «Attraktivitätssteigerung» nicht einfach eine Rampe anstelle der Treppe und ein fester Belag auf dem Kiesplatz genügen.
Stadtrat: «Die SBB planen derzeit im Rahmen der Umsetzung des Behindertengleichstellungsgesetzes (BehiG) Umbauten am Bahnhof St.Fiden mit dem Ziel, den hindernisfreien Zugang von der Lindentalstrasse und der Unteren Lindentalstrasse aus zu gewährleisten. Die Umsetzung der Massnahmen ist beim derzeitigen Planungsstand für Ende 2022 / Anfang 2023 vorgesehen. Der Zugang zur Passerelle vom nördlichen Bahnhofsareal ist nach Auskunft der SBB auch weiterhin lediglich über die bestehenden Treppen vorgesehen. Der direkte Fussweg zum Messegelände führt damit auch in Zukunft über diese Treppen und von dort über das SBB-Gelände und die Bachstrasse. (…) Ein behindertengerechter Zugang zum Messegelände ist weiterhin über die Passerelle und die Kolumban- und Splügenstrasse gewährleistet.»
Das ist doch kein der Bedeutunge des Messestandorts entsprechender Zugang.
Dass aufwendige Um- und Ausbauten innerhalb des Bahnhofs mit der Gesamtplanung des Areals und einer allfälligen Überdeckung abgestimmt werden, ist verständlich und wünschenswert.
Stadtrat: «Im Rahmen der neuen Halle 1 soll die Fusswegverbindung verbessert werden. Entlang des westlichen Abschnitts der Bachstrasse wäre diesbezüglich ein beidseitiges Trottoir wünschenswert. Aufgrund der vorhandenen engen Verhältnisse ist jedoch dessen technische Machbarkeit zu prüfen.»
Selbst wenn die technische Machbarkeit für ein beidseitiges Trottoir entlang der Bachstrasse gegeben wäre, von einem direkten Zugang kann bei diesem, vom Stadtrat beschriebenen Parcours nicht gesprochen werden.
Wir wünschen die Prüfung eines direkten Zugangs als Verlängerung der Unteren Lindentalstrasse direkt zwischen Bahn und Autobahn zu einem Osteingang der Halle 1 (gelb im Bild oben).
Eine solche Verbindung wird durch eine allfällige Überdeckung nicht tangiert, lässt sich also unabhängig davon und auch unabhängig von einem Ausbau des Bahnhofs realisieren.
Visualisierung: Selica Media
Andere Messestandorte weisen ähnlich direkte Zugänge auf.
Das Hallenstadion ist mit einem Tram erschlossen, welches wesentlich mehr Kapazität hat als Busse. Die meisten reisen dort mit dem Zug via Zürich-Oerlikon an. Optimal ist sind die Wege zwar nicht, die Kapazität ist jedoch ausreichend.
Der unterirdische Bahnhof Messe Allmend befindet sich unmittelbar unter den Hallen.
Das Trämli fährt vor den Haupteingang und der Badische Bahnhof befindet sich in 500m Entfernung.
Der Palexpo ist vom Bahnhof Genève-Aeroport bestens gedeckt erschlossen.
Vom Messebahnhof Rho-Fiera führt eine gedeckte Passerelle zum Gelände der Expo 2015, Distanz ca. 400m
Vom Messebahnhof Messe-Laatzen führt eine gedeckte Passerelle zum Messegelände, Distanz ca 350m
Der mit ca. 900 m eher lange Fussweg vom U-Bahnhof Fröttmaning zur Allianz-Arena wurde grosszügig und parkähnlich gestaltet.
Vom Messe-Bhf führt eine breite Allee zur Messe, Distanz ca. 650m
Man mag nun Vergleiche mit internationalen Standorten als vermessen ansehen. Doch die neue Olma-Halle wird auch im Wettbewerb mit solchen Standorten stehen.
1: Hängebrücke für den Langsmaverkehr als Verbindung von der Langgasse zum Spital – Wiederherstellung der alten Splügenbrücke.
2: Von uns vorgeschlagener, direkter Messezugang vom Messebahnhof St.Gallen St.Fiden zwischen Autobahn und Bahngleisen als Verlängerung der Unteren Lindentalstrasse.
3: Direkte Velobahn von der Lindenstrasse zur Olma als teil einer schnellen Ost-West-Verbindung sichtbar. Sie würde in einer Ebene zwischen Autobahn und der Splügenbrücke und auf dem Grünstreifen zwischen der Autobahn und der Ausfahrt von Zürich Platz finden.
In dieser Skizze ist eine Überdeckung enthalten. Sämtliche Brücken und Wege sind jedoch auch ohne diese und unabhängig davon realisierbar.
Zugegeben, diese Ideen sind in der Summe nicht günstig, weshalb sie als Vision betitelt sind. Sie sind jedoch nicht weniger visionär als die (zu) gross dimensionierte Olma-Halle «Neuland» an sich.